Reisebericht Ostküste Smaland Crew 3
Mo. 23.7.2012 Mönsteras
Schon die starken Böen über den geschützten Hafen von Mönsterås ließen den Südwester erahnen, aber erst nachdem ein freundlicher Bootsnachbar uns über aktuelle Windmeldungen gewisser Wetterbojen aufklärte, beschlossen wir, an jenem ersten Tag unseres Urlaubs in Schweden nicht die Segel zu setzen.
Eine freundliche Touristeninformation, welche gleichzeitig die Aufgaben des Hafenmeisters übernahm, empfand diese Entscheidung als „no problem“ und gestattete der Campus, einen weiteren Tag im Hafen zu bleiben. Sie rüstete uns mit einer guten Fahrradkarte aus, woraufhin wir gleich losradelten, um die Küste und den tatsächlichen Wind im Sund zu begutachten. An der „richtigen“ Küste angekommen, entpuppte sich der Wind mit seinen 25 Knoten als ziemlich heimtückisch als er die Radkarte aus meinen Händen riß und sie ins Wasser fliegen ließ.
Wir waren aber nicht die einzigen Opfer, denn ein wenig später fanden wir eine weitere Karte, die im Gestrüpp neben dem Radweg hängengeblieben war. Diese wurde zu unserem treuen
Begleiter und zeigte uns den Rundweg über Oknö zum winzigen Hafen in Timmernabben, weiter über Ǻlem nach Blomstermåla und schließlich zurück zum Städtchen Mönsterås. Die vorgelagerten Inseln in jener Gegend bieten auch vom Festland aus ein idyllisches Landschaftsbild. Wir waren begeistert von den gut ausgebauten Radwegen, den sauberen Badestellen (17°C) sowie den Rastplätzen mit Blick auf das Wasser.
Der Rückweg kurvte landeinwärts und bot, wie auf Bildern aus der Romantik, kleine, in Feldsteinmauern eingerahmte Wiesen und Ährenfelder. Nach einem verregneten Deutschland hieß uns Schweden mit viel Sonne und viel Wind willkommen – unser Urlaub hatte begonnen.
Di. 24.7.2012 Mönsteras – Borgholm
Der Plan war, früh abzulegen, um so schnell wie möglich vor dem vorhergesagten auffrischenden Wind den Katzensprung nach Borgholm zurückzulegen. Aus früh wurde acht Uhr morgens und aus dem Katzensprung wurde eine Kreuz. Obwohl die Campus-Mannschaften in den zwei Wochen vor uns die Erfahrung gemacht hatten, daß die schwedischen Wettervorhersagen, besonders in den Schären, kaum stimmen, so mußten wir feststellen, daß sie uns nicht anlogen: 20 Knoten aus Süd.
Eine Beaufort 5 kann es schon spannend machen, auf der Campus zu zweit die Segel zu setzen. Letztendlich klappte aber alles; Mathias und ich machten es uns auf der hohen Kante „bequem“ und segelten mit kleiner Fock und gerefftem Groß unter ganz blauem Himmel nach Borgholm. Es sollte der einzige Tag werden, an dem wir unser Ölzeug aufgrund des Wellengangs brauchten. Im Borgholmer Yachthafen gab es einen aufregenden Anlegeversuch mit der Heckboje: unsere Leinen waren zu kurz und der Motor entschied sich, aufzugeben.
Wir boten sicherlich ein amüsantes Schauspiel – allerdings mit glücklichem und unversehrtem Märchenschluß. Ende gut, alles gut.
Nach dem kleinen leisen Mönsterås mit seinem einem, aber sehr friedlichem, Hafenrestaurant, wurden wir von Borgholm regelrecht überwältigt: Imbissbuden, Eisstände, Geschäfte, Spielplätze, Hotels, Yachten und Touristen. Wer Action mag, oder Lebensmittel aufstocken möchte, oder an leckerem Eis interessiert ist, ist hier genau richtig. Die Touristeninformation versorgte uns mit ausführlichen Wanderkarten und der Hafenmeister Herr Anderson mit einem Hafenwimpel, sowie einem Gutschein für das Frühstücksbuffet im Hotel am nächsten Tag, welches hielt, was die Broschüre versprach: einfach lecker.
Wir machten nach ein paar Besorgungen in der Stadt nur eine kleine 4km Wanderung, die uns an der Schloßruine vorbeiführte. Das Schloß kann man schon vom Wasser aus sehen und es ist, mitsamt der landschaftlichen Umgebung, bemerkenswert. Wir hätten es uns sehr gerne von Innen angeschaut, aber leider waren wir spät dran. Für das nächste Mal wissen wir: erst das Schloß, dann die Besorgungen.
Der Yachthafen war bis zum späten Abend hinein voller Leben und Kinderlachen. Erst im Dunkeln legten sich Wind und Welle, woraufhin sich auch die Campus beruhigte und wir friedlich schlafen konnten.
Mi. 25.7.2012 Borgholm – Revsudden
Wie beim Camping scheint man auf der Campus immer mit verquollenen Augen aufzuwachen. Jeder meiner Urlaubstage begann etwa so: Ich versuche mir einzureden, daß meine verklebten Augen ein Zeichen dafür sind, daß ich noch länger schlafen sollte. Nach einigem Hin und Her auf der „Pritsche“ wird diese mysteriöserweise immer unbequemer. Ich schäle mich daher aus dem etwas klammen Schlafsack, öffne die Luke, werde von Sonnenlicht regelrecht überflutet, klettere mehr oder weniger blind über das taubedeckte Deck, hüpfe ohne Brille an Land und schlurfe zum nächsten Klo. Mathias scheint das alles nie zu stören – der schnarcht heiter weiter.
An jenem Mittwoch morgen stellte ich fest, daß Borgholm in der Früh seelenleer ist und daß der Wind uns verlassen hatte: glasglatt lag der Sund. Viele Stunden später wehte immer noch kein Lüftchen. Wir befanden uns schon seit geraumer Zeit auf dem Wasser vor dem Borgholmer Hafen und grüßten – Hand hoch – ganz artig jede unter Motor vorbeifahrende Yacht. Zwei deutsche Segler kamen aus dem Hafen getuckert und gesellten sich zu uns.
Der spannende Wettkampf des Erhaschens von Windpuffern, welche an einer Stelle auftauchten und an der gleichen Stelle verschwanden, hatte begonnen. Erst wurde die Campus abgehängt: wir kamen zwar mit der Strömung mit einem halben Knoten vorwärts, verpaßten aber viele Puffer, da sie links von uns lagen.
Dann aber –haha– kurz nach eins erfüllte sich der Windeswunsch der Genua und der Groß und bei 3 Knoten Wind machten wir Fahrt. Der inoffizielle Wettkampf mußte abgebrochen werden, als wir nach fünf Stunden nur neun Seemeilen hinter uns gelegt hatten und in den Yachthafen Revsudden, auf der Insel Skäggenäs, einliefen.
In Revsudden gibt es den winzigen Hafen und springende Fische. Sonst nichts. Der im Segelführer erwähnte Konsum existiert nicht mehr, das beschriebene historische Grab war auch unauffindbar. Ein einheimisches Ehepaar erzählte uns, daß die nächste Tankstelle 8 km entfernt sei. Wir machten uns auf den Fußmarsch, um Fleisch zu kaufen, denn unsere Anlegestelle eignete sich, im Gegensatz zur Borgholm, perfekt zum Grillen.
Hügel noch, Hügel runter, an alten Meilensteinen vorbei, bahnten wir unter strahlender Sonne des Spätnachmittags unseren Weg. Die Freundlichkeit der Schweden in jener Gegend ist unschlagbar. Kurz vor der Tankstelle hielt die ebenbesagte Frau des Ehepaars neben uns und nahm uns nicht nur zu einer richtigen Kaufhalle (statt der Tankstelle) mit, sondern fuhr uns auch den gesamten Weg zurück. Somit haben wir den Bus gespart und erfuhren einiges über Schweden und Häfen. Nach so viel Sonne waren wir am Ende doch ausgebrannt und fielen nach dem Grillen, mit dem Beginn der Dunkelheit, glücklich in den Schlaf.
Do. 26.7.2012 Revsudden – Mörbylånga
Wenig Wind hat den Vorteil, daß nichts an Bord umherfliegt. Wir nutzten unser langsames Vorankommen, um Seekarten lesen zu üben, Kompaß Peilungen vorzunehmen und imaginäre Routen zu planen. Dabei konnten wir Zirkel, Karten, Stifte und Navi-Dreiecke ohne Bedenken an Deck liegen lassen, denn eine Krängung gab es nicht. Für den Sund werden navigatorische Fähigkeiten eigentlich nicht gebraucht: alle Untiefen sind gut markiert und die Fahrwasser zwischen Bojen eindeutig erkennbar.
Für Mathias aber ist das Segeln eine neue Welt und somit haben wir auch die Navigation fleißig geübt. In die Schären haben wir aufgrund fehlenden Windes keine Abstecher gemacht; dort hätten wir unsere Fähigkeiten sicher besser testen können. Dafür gab uns der eine Knoten Bootsgeschwindigkeit sehr viel Zeit, jede einzelne Leuchtboje und Markierungen genauestens „einzustudieren“, baden zu gehen und gemütlich unsere Bordrationen zu vernaschen. Auch an jenem Tag tuckerten alle anderen Segler an uns vorbei. Segler! Pah, was red’ ich…
Was wären wir denn für Segler, wenn wir einfach den Motor angeschmissen hätten? Immerhin hatten wir Urlaub; die Zeit durfte sich strecken… Die Kalmarsundbrücke wurde ohne den Außenborder zwar langsam, aber doch stetig größer. Kurz davor setzte sogar eine Brise ein, die uns ermöglichte, tatsächlich durch die Brücke zu segeln, anstatt sie wie Treibholz zu passieren. Das hat gleich so viel Spaß gemacht, daß wir ein kurzes Gebet an Aiolos schickten, um den Wind nach Mörbylänga aufrechtzuerhalten. Von Revsudden nach Mörbylänga sind es zwar nur 20 Seemeilen, aber ohne Brise (und ohne Motor) muß man das erstmal schaffen… Odysseus hätte gelacht und so segelten wir voller guter Laune an Kalmar vorbei und unserem Ziel entgegen.
Mörbylänga fällt zuerst durch ihre etwas grauen Silos auf. Dafür aber ist der Hafen richtig gut geschützt und es gibt ein nagelneues, sauberes Duschgebäude. Wir fürchteten eine lange Wanderung zum Konsum (wie auf Skäggenäs den Tag zuvor) aber in Mörbylänga sind gleich zwei große Kaufhallen in der Nähe des Hafens. Ein niedliches, überschaubares Städtchen mit einer Bibliothek (und kostenlosem Internet) und kleinen Geschäften – unter anderem ein Kunstgeschäft, in welchem wunderschöne Landschaftsmalereien von Öland angeboten werden.
Mörbylänga ist für einen gemütlichen Stadtbummel geeignet und auch als Sprungbrett für Öland-Ausflüge. Da für den nächsten Tag wieder null Wind vorhergesagt war, beschlossen wir, am Freitag eine Radtour in Angriff zu nehmen, da die Landschaft im südlichen Teil der Insel einmalig ist. Es gibt eine große Fahrrad Ausleihstation in Mörbylänga mit all möglichen Arten: Tourenräder, Rennräder und Mountainbikes.
Der Geschäftseigentümer berät gern über die verschiedenen Radwanderwege, die Straßen und die Alvaret (die Steppen-Heidelandschaft Ölands), die selbst für erfahrene Mountainbiker eine Herausforderung darstellen kann. Wir verbrachten den Abend damit, unsere eigene Tour zusammenzustellen und schliefen, nach dem Grillen, in freudiger Erwartung auf den nächsten Tag ein.
Fr. 27.7.2012 Mörbylånga
Um 10 Uhr morgens ging es los. Fünfzig Kilometer lagen vor uns und eine leichte Wolkenschicht schützte vor zu viel Sonne. Ein asphaltierter Radweg führte nach Norden zum Runenstein „Karlevistenen“. Dieser steht recht exotisch mitten auf einem Feld und ist mit eingeritzten mysteriösen Symbolen versehen. Danach folgten wir einfach den roten Pfeilen und bahnten so unseren Weg über die Insel. Es gibt viele Naturreservate auf Öland, welche immer mit Informations-Schildern über die Landschaft, ihre Geschichte und die Tiere versehen sind.
Auf der Überfahrt zur Ostküste ist uns kaum jemand begegnet, die Sonne kam herausgekrochen und wir genossen die Ruhe. Der Weg führte teils durch Graslandschaften, aber auch durch Wald und entlang von Alleen.
Die Ostküste überraschte uns mit einem ganz anderen Klima: es wurde diesig, fast neblig, und richtig kühl. Den Abzweig zur Befestigung Sandbyborg war nicht ausgeschildert und wir haben ihn daher verfehlt. Auf dem Weg nach Süden liegt zwischen Gårdby und Brunneby ein altes Grabfeld, welches gut für eine kurze Pause und ein kleines Picknick im Grünen ist. Vogelliebhaber müssen unbedingt in Brunneby anhalten: es gibt dort einen gut ausgestatteten „Vogelladen“ mit Fachbüchern, Teleskopen und Ferngläsern.
Von Brunneby ging es zurück über die Insel, diesmal aber durch die Alvaret. Der Nebel lichtete sich, es wurde heiß und es gab gar keinen Schatten!! Die Alvar ist einmalig: kalkhaltiger Boden, nur Grasbüschel oder kniehohe „Bäume“ und Vogelbeobachter. Wir haben zwar fast keine Vögel gesehen, aber es soll wohl sehr seltene Geschöpfe dort geben, auf die es sich zu warten und zu beobachten lohnt…
Am Möckelmossen „See“, ein Rastplatz für Zugvögel (vor allem für Kraniche im September), machten wir kurz Halt. Der flache See und die Steppenlandschaft sind tatsächlich einzigartig. Wir würden jedem, der seinen Urlaub auf Öland verbringt, eine Radtour durch die Alvar (und viel Sonnencreme) empfehlen.
Am Ende kamen wir natürlich wieder in Mörbylånga an, gaben die Räder ab, kauften Wasser und Steaks und genossen einen weiteren Grill-Abend.
Sa. 28.7.2012 Mörbylånga – Kalmar
An unserem letzten Segeltag sollten wir endlich den perfekten Wind erhaschen. 10 Knoten aus Süd bliesen uns das ganz kleine Stück in „null Komma nichts“ zurück nach Norden nach Kalmar. Wir hätten an dem Tag glatt die gesamte Strecke nach Mönsterås (unsere Position am Anfang der Woche), die wir so „mühevoll runtergetrieben“ sind, in ein paar Stündchen segeln können. Tja, so ist der Wind.
Kalmar ist der Umschlagpunkt für die Yachttouristen und definitiv die größte Stadt auf unserer Reise. Viele Menschen, Geschäfte, Kirchen ein Badestrand und auch ein Kino. Das Schiffahrtsmuseum hatte leider geschlossen, aber dafür haben wir (neben einem Stadtrundgang) uns das Schloß angeschaut. Beeindruckend waren der Frauenkerker und die Scherenschnitt Wander-Ausstellung. Nach einer so ruhigen Woche in winzigen Häfen, empfanden wir Kalmar als recht hektisch und laut, was uns allerdings wieder auf die Zivilisation einstimmte.
Den Rest des Tages verbrachten wir damit, die Campus ein wenig auszumisten und für die nächste Mannschaft herzurichten. Auch hier gab es mit den freundlichen Hafenmeistern keine Probleme bei der Bootsübergabe.
Zusammenfassend können wir sagen, daß uns unsere Schwedentour per Segelyacht sehr gefallen hat. Wir sind zwar aufgrund der Windverhältnisse nicht weit gekommen, aber das, was wir gesehen haben, ist für einen entspannenden Urlaub definitiv empfehlenswert.
Daher an alle Nachahmer:
Gut Wind und immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel!!