Mal eben zum Baden in´s Mittelmeer fahren …

Im Jahre 2012 kaufte unser Vereinsmitglied eine Dehler 31 im niederländischen Lelystad. Ohne gründliche Planung, ziemlich spontan, sollte es von dort aus in´s Mittelmeer gehen. Auch wenn inzwischen etwas Wasser durch all die Kanäle geflossen ist, lohnt sich die Lektüre und sicher auch das Nachahmen. Jedenfalls, wenn man ein Boot mit nicht mehr als 1,60 m Tiefgang hat.

Eine Reise durch Westeuropa über 3500 km und ca. 360 Schleusen

Vorsicht, nicht für Hochseesegler !

Baden im Mittelmeer ?

Es war wunderschönes Wetter, als mich meine Freundin zu einer Wochenendfahrt nach Kühlungsborn einlud. Kannte ja schon jedes Schlagloch in der Gegend. Und dann die Marina mit den vielen Booten.
„Was kostet so ein Segelboot ?“ Etwas Internetrecherche und Mundpropaganda, schon war ein Boot in den Niederlanden bei Lelystad ausgemacht. Das „Richtige“ war eine Dehler 31 mit ca. 10m Länge, Rollsegeln, Steuerrad, Pantry und mindestens zwei Schlafplätzen. Her und hin, fertig war die Entscheidung zum Kauf.
Es gibt da Gesetze, wonach man vier Scheine braucht, um mit einem Boot durch Europa fahren zu dürfen: den Binnenschein, den Seeschein, einen Funkschein und eine internationale Registrierung deutlich sichtbar am Rumpf. Kann nicht schwer sein? Gut, etwas Glück gehabt. War auch knapp.
Ein Herr Dr. jur. aus Frankfurt a.M. brauchte 30 Minuten Diskussion mit dem Hafenmeister, um zu begreifen, dass er durchgefallen war. Erst nachdem ich ihm erklärte, dass die Getränke draußen vor der Tür im Biergarten gut sind, gab’s für mich die Scheine.

Schiffsübernahme

Dann auf zur Übernahme nach Lelystad. Vorher noch ein Dingi kaufen, außerdem jede Menge Kleinmaterial zur Vervollständigung einer bootsinternen Kleinstwerft. „Man weiß ja nie“! Während der Übernahmefahrt nach Lelystad noch schnell einen 5PS Schlauchbootmotor speziell zum Ankern im Mittelmeer kaufen, und schon war das Auto übervoll. „Ihr kommt zu spät“ sprach der Eigentümer. Also nur noch Zeit zu einem kleinen Probesegeln. Ein diabolisch freundliches Lächeln, dann war er weg. Dann Stauen, Detailerkundung des Schiffes. Wo ist die Flasche Sekt? Bei knapp 50 Fächern und beinahe planlosem Verstauen nicht einfach, die Flasche zu finden. Ein sehr langes Werftwochenende mit der Möglichkeit zum Basteln einer Mastlegevorrichtung für eine lange Reise zum Mittelmeer folgt. Am Montagmorgen dann das ganz schnelle holländerfreundliche Mastlegen.

Vom Ijsselmeer zum Rhein

Die erste Schleuse, über 5m Höhe, ein kleines Geschenk an den Wärter in Form eines Enterhakens und schon bald schaukelten wir auf dem Markermeer/Ijsselmeer mit Wellengang. Die Schnelligkeit der Mastlegung rächte sich jetzt. Am Abend dann sehr tiefes Durchatmen und auf der Suche nach kompetenter Hilfe für den Mast.
Nächsten Vormittag war dann eine neue Mastvorrichtung fertig. Danach sofort die berechtigte Frage: „Wo geht’s ohne Tieflader in Richtung Süden“. Fast jede Marina in Holland führt ein gutes Sortiment von „preisgünstigen“ Schiffswanderkarten. Für unsere Tour kauften wir:

Heft D : Gelderse Ijssel (Markermeer bis Arnheim)
Heft M : Limburgse Maas (Nijmegen bis Maastricht)

Zum Auffinden der Ijssel hätte vielleicht auch ein Schulatlas gereicht, aber wenn man auch nur eine Langhaarige an Board hat, benötigt man Details zum Auffinden von Liegeplätzen mit Dusche und Waschmaschine. Schleuseneinträge ach ja, auch mal einen Tankstelleneintrag. Segeln ohne Mast geht schlecht. Zweimal fuhren uns Einheimische mit ihrem Auto fast ungefragt und kostenfrei zur nächsten Tankstelle. ! ! !
Es war Mitte Mai, da hatten die Graugänse bereits gebrütet. Die Fahrt ging über 1-2 Tage durch ein einmaliges Freigehege von munteren Gänsen an den Ufern. Erwähnenswert, und das galt für die gesamte Tour waren die Einmündungsbeschilderungen. Auf späteren Abschnitten von Bedeutung, wenn diese von Trauerweiden zugewachsen sind.
So kamen wir gut durch die IJssel bis zum Rhein.

Rheinschiffer sind keine besonderen Freunde der Sportschiffart. Letztere ist meistens immer im Weg. Auf dem kurzen Stück bis Arnheim begegnete mir gleich das erste Schiff mit einer blauen Tafel…
Der Niederrhein ist genau so breit wie strudelig. Also mit 5 Knoten Anzeige, plus 5 km/h Srom in den nächsten Hafen von Velp bei Arnheim. Kaffeebesuch von zu Hause, Lagebesprechung und nix wie rein in den Maas-Waal-Kanal.

Die Maas

Irgendwann war’s auch mal nötig unserer Dame einen Namen zu geben. Sie sollte ab jetzt SARA heißen. Im trauten Beisein eines neugierigen schwarzen Schwans, oder war’s nur Hunger, musste der alte Name entfernt und der Neue angebracht werden. Wir und der Schwan kamen zu unserem Recht. Ob ein schwarzer Schwan die gleiche Funktion wie der berühmte schwarze Kater hat, sollte sich noch erweisen.

Kanäle haben die Eigenschaft, sehr ruhiges Wasser zu haben und dazu sind sie meistens auch gerade, auch in der Horizontalen. Wer meint, dort die Selbststeuerung nutzen zu können, wird schnell enttäuscht. Meistens sind d

Die Ufer mit scharfkantigem Gestein gesäumt, die ganz schnell näher kommen. Schleusen sind in Holland modern, groß und für die Berufsschifffahrt gemacht. Sinnvollerweise hat diese immer Vortritt. Oft mit nur zwei Mann besetzt, führt einer die Vorleine und der Zweite bleibt am Ruder. Die Heckleine wird dann durch Rudereinschlag und Schraube ersetzt. Dann dürfen wir in den Schraubenstrudel mit überstehendem Mast einfahren. Da hat’s schon mal eine 360 Grad Wende gegeben. Natürlich mit dem freundlichen Lächeln des Lastkahnführers, der meinte, sein Heck noch stärker an die Schleusenwand zu drücken. Es gibt noch eine weitere Besonderheit der Kanalfahrt. Kanäle werden nicht durch die Innenstädte gegraben. Ein Kraftwerk, ein Müllverladekai oder Kiesberge sind die Sehenswürdigkeiten. Auch kann man mit 1,6m Tiefgang nicht in jeden noch so romantischen Seitenarm fahren.
In jenem Sommer war wohl das Azorenhoch so stabil, dass die Atlantikluft immer zu spüren war.
Aber mit jedem Tag kamen wir südlicher. Auch unser wichtigstes Teil, der Motor, lief ohne Mucken.

Noch nie in seinem Leben musste er so viel arbeiten. So wurden nicht die gefahrenen Kilometer gezählt, sondern die Anzahl der Schleusen. Zumal die Verzögerungen und die Öffnungszeiten nie bekannt waren. Und dann die letzte Passage um ca. 19 Uhr. Wo geht’s und wo lohnt’s, die nächste Nacht störungsfrei anzulegen. Man findet irgendwie immer etwas. Einmal übernachteten wir an einer Betonwand einer Kleinstadt. Gegenüber befand sich ein Industriekomplex. Am nächsten Morgen war es ein KKW. Nicht ganz sicher war, ob die Straßenlaternen mit dem Strom aus diesem oder mit der Strahlung leuchteten. Nach 2-3 Etappen landeten wir dann in Maastricht. Kurz vorher erinnerte mich der Motor dann daran, dass er doch nicht für Rennboote gebaut war. Kommandofrei ging er einfach aus. Eine Woche verbrachten wir dann in dieser schönen Stadt in einer Marina eines Privatklubs. Stegnachbarn erwiesen sich als große Fachmänner für Dieselmotoren. Ein junger Holländer, telefonisch bestellt und Vertreter für Bootsmotoren, prüfte alles, und konnte auch nur den Motor eine Stunde bei gutbezahltem Kaffee und Gebäck fehlerfrei Probe laufen lassen.

Belgien

Auf nach Belgien ! Erst- und letztmalig ohne Kartenmaterial. War auch nicht nötig. Es gab ja nur eine Richtung: Süden.
Aber nicht immer schurgerade. Es gab da eine 180 Grad – Schleife auf der Maas. Vor uns ein entgegenkommender größerer Frachtkahn, und der Motor machte tuf tuuufff. Wenn vier Tonnen in Bewegung sind, reicht es

 

manchmal gerade, um in Ufernähe zu kommen. Ankern und die nötigen Medizinspritzen in den Motorfilter. Zu dieser Zeit hatte ich schon etwas Übung im Schrauben und Spritzen. Längere Denkpause bis wir am gegenüber liegenden Ufer einen kleinen im Bau befindlichen Steg entdeckten. Nix wie rüber. Leichte Anlegeprobleme (Baustelle) und Abendbrot.

 

Wieder einmal zeigte sich die Gastfreundschaft der Einheimischen. Am nächsten Morgen erkundigte sich ein Ehepaar nach unseren Befindlichkeiten. Der Mann musste das Problem kennen. Er brachte uns zwei 25 Ltr. – Plastikkanister, und fuhr mit uns zur nächsten Tankstelle. Dann stellten wir einen Kanister neben den Tank, legten den Schlauch um, und schon war der Ersatztank in Funktion. Der Haupttank war, und das kann man leider nicht prüfen, wohl verschlammt.

Frankreich (Meuse)

Angekommen an der Grenze zu Frankreich, brauchten wir einen Transitpass für das Boot. Für dieses galt kein Schengen-Abkommen. Für das Befahren der Wasserstraßen in Frankreich muss man anders als in Deutschland zeitgestaffelt bezahlen. Die Pflege der umfangreichen Schleusen und Kanäle macht das verständlich. Letztere werden auch überwiegend touristisch genutzt, und sind im Wesentlichen das Erbe der ersten Industrialisierung im 19. Jahrhundert. Weitsichtig und gründlich wie Frauen sind, hatte meine Freundin noch in Rostock ein dickes, deutschsprachiges, detailgenaues Buch über die Wasserstraßen in Frankreich gekauft. Und „pünktlich“ am Vortag zur Abreise in Rostock bekommen.

David Edwards-May: Binnengewässer Frankreichs – Alle schiffbaren Flüsse und Kanäle
Edition Maritim 376 Seiten zum Preis von 70 €

Das Buch war eine echte Hilfestellung. Auch mit Einträgen von Überlandleitungen und Wäschetrocknern in den Marinas.
Wir schwammen auf dem Canal de la Meuse. 59 Schleusen, 272 km und 150m nach oben (Höhenausgleich). Gleich hinter der Grenze nach der ersten Schleuse der Tunnel „Ham“. Ca. 600 Meter lang, unbeleuchtet und an den Rändern scharfkantiges Gestein. Die Positionslampen reichten nicht. Tiefes Durchatmen bei der Ausfahrt. Auf dieser Strecke folgten dann noch drei weitere Tunnel. Allerdings mit weniger Risiko und mehr Licht.
Man kann behaupten, jetzt begann die Tour interessant zu werden. Meine Freundin hatte bereits in Holland verstanden, dass der Schiffsrumpf gebogen und ein schlichtes „Leine stramm ziehen“ in der Schleuse meistens immer Verwirrung stiftet. Der Mast überragte ja auch Heck und Bug. Es stellte sich eine gewisse Routine ein. Sehr interessant wird’s, wenn man ein überall zu mietendes führerscheinfreies Wohnschiff mit bis zu 10 Personen an Deck in der Schleuse an- und ablegen sieht.

Bis Verdun waren die Schleusen noch 50m, danach 38,5m lang. Danach begannen dann die automatischen Schleusentreppen. Vier Automatismen haben wir kennengelernt. A: Fernbedienung mit Radar und UKW, B: Drehbare Stangen an Seilen über dem Wasser ca. 80m vor den Schleusen, C: Studenten als Schleusenpraktikanten, und D: Moped fahrende Schleusenwärter. Die genaue Benutzung der Automatiken sollte man unbedingt gelesen haben. Wie immer im Leben bringt Unwissenheit Ärgernis. Nicht unbedingt selbst muss man den Fehler gemacht haben.
Engländer kommen aus einer Kulturnation. Höflich wie sie sind, gewähren sie einem den Vortritt in die Schleuse. Wenn dann vorne alle vier Kammern öffnen, kann man schon um die Reißfestigkeit der Festmacherleinen bangen. Umgelegt werden müssen diese aber auch noch. Ein Knoten am Leinenende ist da sehr hilfreich. Einmal erlebt, kannte unsere Höflichkeit über alle Sprachen hinweg keine Grenzen. Eine überall zu findende Besonderheit sind die an den Kammerseiten eingelassenen Eisenleitern ohne Überhang. Nass und rutschig verlangen sie Aufmerksamkeit. Besonders mit den Leinen in der Hand. Ich kann sagen, meine turnerischen Fähigkeiten haben sich vervollständigt.

Jedes Einfahren-Anlegen etc. hat seine Besonderheit. Und so wurde die Zahl der echten oder „Beinahe Schrammen“ nicht kleiner. Meine Freundin sagte nichts, aber sie machte dann immer Sudoku. Das Heftchen verstecken half da auch nicht.

Unser Etappenziel war Toul. Das Azorentief war weiterhin stabil und die Zahl der Sudokus wurde grösser. Da bin ich aus lauter Verstimmung einfach an dem sehr schönen und versteckten Stadthafen von Charleville vorbei an einem mit Bäumen bewachsenem Ufer zur Übernachtung gefahren. Ich glaube, es gab kein Abendbrot. Am nächsten Tag haben wir zurückfahrend alles nachgeholt. Übrigens auch mit Dusche und Wäsche. Wo bitte ist nun die nächste Abbiegung mit anschließender Schleuse?

Wir hatten vier Augen, aber zwei konnten lesen. Das Wegweisschild war hoffnungslos zugewachsen. So kamen wir bis Verdun, und dort heuerte dann einen Gast an Bord. Die Abende waren jetzt nicht mehr so einseitig. Der Gast war ‚landsportlich‘. Er sprang direkt vom Deck mit etwas Schwung über die Reling ans Ufer. Da war eine dringende Einweisung fällig. Schon gleich hinter der belgischen Grenze machten wir einem „Kleinlaster“ beladen mit Düngemittel für Avignon Platz. Das genaue Gegenteil der Rheinschiffer. Freundlich und redselig trafen wir sie zwei Wochen später festliegend wieder. Sie hatten Ruderschaden. Wie sie es durch die engen Kanäle, Kurven und Schleusen geschafft hatten ? Auch kommerziell, sie taten uns richtig leid.
Manche Kataloge sprechen von reizvoller Umgebung. Längere Fahrt durch einen grünen Tunnel, eine Fahrt über ein Viadukt mit dem Blick aus 15m Höhe auf einen rauschenden Bach mit Namen Mosel oder die Übernachtung mitten im Wald o.ä. hätten alles doppelt verschönt, wenn nicht das Azorenhoch….
Mit der Einfahrt in den Canal de la Marne au Rhin folgte gleich der 1km lange Tunnel „Fog“. Nur noch schnell 10 Schleusen über 5km und Toul war erreicht. Damit war die erste Hochlandstrecke geschafft. In Toul gleich nochmal eine ganz freudige Nachricht: Bei Epinal war eine Schleuse eingebrochen. Ca.10 Tage Zeit, die Umgebung incl. Nancy zu erkunden. Proviant? nein, aber viele „Nôtre Dame“ und vor allen Dingen Internet waren das Wichtigste. Auf der Rückfahrt war das unsere beste Ausrede, die vier Wochen Kanalgebühren (Bezahlung) auf ca. 12 Wochen ohne Zusatzgebühren ausgedehnt zu haben. Am Ende hatte sich auch das Azorenhoch verflüchtigt.

Canal des Vosges (93+3Schleusen ca.200km)

Nach 8 Tagen in Toul gab es einen Massenstart in Richtung Canal des Vosges auf eine Höhe von 360m bei Epinal. Epinal war der Scheitelpunkt. Dort gab es auch einen größeren See zur Speisung der Schleusen in beide Richtungen. Er möge bitte, bitte nicht auslaufen. Also jetzt der nächste Höhenzug. Auch hier wieder Kanaleinschnürungen mit Bäumen wie im urzeitlichen Wald. Manche Entgegenkommer konnten unser zögerliches Ausweichen nicht sofort verstehen. Ein senkrechter Fingerzeig brachte immer freundliche Aufklärung.

Der Abstieg zur sehnlichst erwarteten Saone nach 147km mit „nur“ 93 Schleusen erfolgt durch das schluchtenartige Coney-Tal mit malerischer Umgebung. Auch der Tiefgang des Kanals sollte immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel gewährleisten. Oft aber auch nicht mehr und manchmal sogar weniger. Auch einige Drehbrücken haben wir passiert. Im Gegensatz zu einigen Schleusen gab es nie eine Wartezeit. Dafür aber mit einer Warteschlange für die Autos vor der Brücke. Beruhigend, wenn man mal so ein Privileg genießen darf. Nicht nur im 19. Jahrhundert hatte dieser Kanal höchste nationale Bedeutung. Er brachte die strategisch wichtige Nord-Süd Verbindung. Er ist die beste Verbindung über Land für Sportboote aus dem Mittelmeer zu Mosel/Rhein und damit auch zur Nord- und Ostsee.

Saone

Nach einigen Tagen waren wir dann in der Saone. Kanalisiert ist sie die wichtigste Wasserstraße der Grande Nation (Frankreich). Der mäanderförmige Fluss wurde bis Lyon durch Schleusen auf etwa „nur“ 365 km verkürzt. Mittlerweise hatten wir jetzt auch einen meteorlogischen Sommer. Warum nicht auch einmal einen Sommerabend in richtig romantischer Umgebung genießen. Sozusagen als Belohnung für viele Schleusungen. Rein in einen toten Arm des Flusses! Den Tiefenmesser im konzentrierten Blick, landeten wir in einer Waldlichtung. Mit dem Festmachen zwischen Wurzelstamm und Anker konnte der entspannte Abend beginnen. Kein Geld fordernder Hafenmeister, kein Platzbesitzer, kein Einkaufen, kein Wellenschlag, keine lauten Nachbarn, kein aufwendiges Korrigieren der Leinen und kein Straßenlärm.

Nur das schlechte Gewissen an einem Baum festgemacht zu haben. Das erste Mal am Scheitelpunkt bei Epinal, und jetzt konnten wir auch mal richtig baden. Erwähnenswert deshalb, weil die geringe Fließgeschwindigkeit in den Kanälen und der überall bekannte landwirtschaftliche Eintrag das nicht erstrebenswert werden lässt.
Wie oft der Motor sein Recht forderte, erinnere ich mich nicht so genau, aber einmal brauchte er eine neue Schraube mit ganz kleinen Löchern. Am Campingplatzsteg an Bord fast freihändig war’s vollbracht. Das gefiel ihm wohl nicht, denn am nächsten Tag staunte meine Freundin über gelbes Flusswasser im Boot. Dieselgeruch hatten wir ja schon immer. Ein unbemerkt geplatzter Dieselschlauch ließ mich intensiv wischen. Glück gehabt, landeten wir gleich an einem schön braunen Ponton mit anschließender Kleinwerft. Keine Zeit, aber in der Mittagspause dann einen neuen ca. 10cm langen Spezialschlauch. Gewöhnliche Schläuche sind denkbar ungeeignet.

Dazu dann diverse Behälter mit „gebrauchtem“ Diesel. Ich glaube die Zahl der gelösten Sudokus nahm wieder zu. So kamen wir nach Gray und machten kurz dahinter an einem Angelsteg fest. Es blieb bei dem Versuch eines Grillabends mit Folgen. Zurück nach Gray wo sich die Schleuse direkt unter einer breiten Straßenbrücke befindet. Meine Freundin brauchte eine dreitägige psychische Pause, und ich eine Lehrstunde zum Festmachen an einer schrägen Kaimauer.
Von Gray nach Lyon nur noch 9 Schleusen! Diese werden immer größer und haben auch einen größeren Hub. Die Festmacherdalben zum Warten sind für die Berufsschifffahrt ausgelegt und für den Freizeitskipper nicht immer „leicht“ erreichbar.

Wir erlebten deutsche Angler, die meterlange Welse aus dem Fluss fischten und wieder reinsetzten, Bäcker direkt am Stadthafen mit frischen Croissants und so manche landesspezifische Besonderheit.

Problemlos und zügig kamen wir nach Lyon. Weit und breit kein freies Plätzchen am Ufer. Irgendwo einmal eine durch Häuser schimmernde Tankstellenreklame. Zurück und am nächsten Wohnschiff anlegen! Alle diese waren gut gepflegt, aber kein Bewohner hegte auch nur den geringsten Protest. Gründliches Schuhsohlenputzen war angesagt. Vier Wochen später waren wir genau wieder hier. Auffüllen aller Reserven! Wir hatten ja ein Zeitlimit, also kein ausgiebiger Landgang. Dafür dann bis zur Einfahrt in die Rhone jede Menge Stadtbesichtigung vom fahrenden Schiff.

Rhone-Saone

Über ‚nur‘ zwei Schleuen mit weit über 5 Meter Hub dann Halt in Ameria. Fünf ruhige abgeschlossene Liegeplätze ohne Strom und Wasser und ohne Gebühr, aber mit beiliegenden offenen Gewächshausplanen zur Erntenachlese. Hier erhielt mein weiblicher Bootsjunge telefonisch eine Aufforderung nach Deutschland zu kommen.

Nach zwei Tagen war ich alleine. Liegenbleiben konnte ich hier nicht. Grübel, Grübel… Was nun? Ablegen mit der Suche nach einer guten Marina mit Stadtanschluss. Einmal am Steuer ist Literaturrecherche nicht mehr möglich. Außerdem gab es einen gewissen Vertrauensverlust in den Motor. Positiv: Es ging in Richtung Süden. Mit dem Bug und Heck überragenden Mast ist das Liegen am Schwimmsteg wegen der Stolpergefahr auch nicht immer möglich. Ein Eckplatz am Ende der übernächsten Marina war meiner. Strom, Wasser, Dusche, Waschmaschine und Internetcode vom schwedischen Nachbarn waren gegeben. Nicht so schlimm, nur die Gasflasche war leer. Ein zweistündiger Spaziergang zur nächsten Tankstelle erbrachte nur müdes Lächeln. Die schnellen Worte verstand ich sowieso nicht. Getrennt durch die Wassereinfahrt nur 15 m neben meinem Liegeplatz eine Tankstelle auch mit Gas. Falsche Norm: darf nicht. Gas ist immer sehr gefährlich.

Jemand wollte mir seine selbst gedrehte Mutter mit Schraube zum Preis einer ganzen Gasanlage verkaufen. Die „Mittelmeer“-Gasflaschen passen nicht in deutsche Behälter. Hier sei mit Nachdruck an die unterschiedlichen Ländernormen erinnert. Außerdem gab es auch für mich einen Hilferuf aus meinem Haus in Rostock. Viele Telefonate her und hin. Dann, als es auch kein Spiegelei mehr gab, buchte ich um 1Uhr nachts einen Flug von Lyon nach Berlin. Nach Bus, Bahn und Vorortzug dann am Flugplatz. Keine Buchung, das Geld war ja auch noch nicht abgezogen. Die Lufthansa Vertreterin verkaufte mir ihren letzten Platz. Zu Hause auch nicht unbedingt viel Erfreuliches, aber immerhin eine 10 Kg volle Gasflasche. Dann in Warnemünde am Automaten: 7 Fahrkarten nach Lyon mit Anschluss. 11 Stunden Eisenbahnfahrt Rostock-Lyon mit einer Gasflasche im Gepäck. Selten habe ich auf mein Gepäck so aufpassen müssen. Dann Taxi, und wo befindet sich im Dunkeln das Boot? Soso, versteckt hinter Affenfelsen. Durchatmen und Suchen nach dem vertrödelten Handy. Dazu auch noch: Der Bootsjunge nicht erreichbar. Nicht Alles, aber Einiges ist gut. Jetzt auch wieder ein Spiegelei. Das Boot war in den vergangenen Wochen mein Zuhause geworden. Die Schriften waren ja alle noch in Deutsch. Auch hier wieder ganz besonders unbezahlbar gute Ratschläge von Nachbarn. Der Besitzer des kleinsten Bootes am Steg hat wirklich geholfen. Tankausbau 3h, Tank reinigen mit einigen auch größeren Hinterlassenschaften und Tankeinbau 2h, da hatte ich ca. 20 Dieselbehälter. Dieselentsorgung ist problematisch. Als dankbarer Nutznießer der Marina wollte ich aber auch nicht, dass sie zu einem vielfarbig leuchteten Platz wird. In einen vollen Dieseltank zu tauchen riecht auch nicht anders als ich und das Boot.

Viele Telefonate, Mails und SMS auf der Suche nach einem Segler mit Lust auf’s Mittelmeer. Beruf, Familie, Termine, Ausreden… Niemand! Dann eine Schleuse südlicher, hatte ich Glück. Ein Bekannter mit dem Wunsch über Paris, Le Havre, Kanal in die Nordsee und Ostsee fahren zu wollen. Schiffsjunge meldet sich auch wieder. Auf und zurück nach Vienne. Eine Nacht nach „verrecktem“ Motor im Schilfgürtel. Dann mit Vollgas durch einige Schleusen, Empfang von Bootsjunge und Freund. Separieren aller 20 Dieselbehälter und zurück nach Lyon an’s schon bekannte Wohnschiff. Vorher noch mal schnell die Bekanntschaft mit dem gefürchteten Mistral, einer Schleuse mit nicht schließendem senkrechtem Tor. Zwei an der Vorleine und hinten Vollgas, dann machte der Wärter das Tor zu. Jeder Kaminbenutzer würde sich über so einen Luftzug freuen. In Lyon noch schnell Proviant und Diesel bunkern und auf nach Macon. Dort dann ein defekter Motoranlasser und ganz nebenbei auch noch ein Keilriemen mit starkem Einschnitt. Welche Freude, wieder eine Woche sehr sommerliche Pause mit Warten auf die im Internet bestellten Teile. Jetzt kam auch unser Dinghi richtig zum Einsatz. Kurze Lagebesprechung mit zwei Flaschen Rotwein ergab: Auf nach Paris! Noch ein kleines Stück Saone, SB-Tank direkt am Wasser und eine wie immer sehr schön versteckte Einfahrt in den Canal de Bourgogne.

Canal de Bourgogne

Die Schleusensteuerung erfolgte jetzt nach Variante C. 15 Schleusen an einem Nachmittag, das war absoluter Rekord.
Diese jungen französischen Studenten waren wirklich freundlich aufmerksam und fleißig. Bemerkenswert wie gut überall in Frankreich die kleinen Touristenschleusen gepflegt waren. Hübsche kleine Schleusenhäuschen gemähte Rasen und immer ganzjährig blühende Blumen. Manchmal sogar auf den Toren. Dort mal eine Blume für das Boot zu pflücken habe ich mich nicht getraut.
An der 16. Schleuse angekommen, war Nachtruhe im System.

Bestimme Umstände ergaben eine temporäre ‚Umtaufung‘ von SARA auf Bounty. Neuer Kurs wurde jetzt Mühlhausen entlang des Jura. 15 Schleusen zurück, Saone bergwärts und Halt vor dem 273 km langen Canal du Rhone au Rhin. Eine Schleuse wie ein Schiffshebewerk.

Canal du Rhone au Rhin

Auf zur dritten „Hochlandetappe“! Mit 237 km und 112 Schleusen, einer Scheitelhöhe von 340 m (Nord-Süd – Wasserscheide) die wichtigste Verbindung der Österreicher, SW-Deutschen und Schweizer zum Mittelmeer. An einer Stelle bestand der Abstand zur Grenze der Schweiz nur 8 km.
Da hätten sich die Steuerkünstler mit einem Stichkanal ja mal so eben einen Hochseeanschluss schaffen können. Es gibt eine europäische Planung, die Wasserstraße komplett neu auszubauen. Sie mögen lange planen, die Route ist so einfach nur schön. Aber was nun? Unser Transitaufkleber war schon lange nicht mehr gültig. Hauptsache die Schleusenwärter bemerkten überhaupt einen. War, von Sonne und Regen mitgenommen, von weitem auch nicht mehr richtig lesbar.

Nur noch dieses Hochland mit Namen Jura. Im Wesentlichen fährt man auf dem Doubs. Oft ohne Markierung. Immer schön an den Außenseiten der Flussschleifen, mal mit Vollgas bei 1km langer Dauergrundberührung, oder auch mal rückwärts, wenn die Krautlänge an der Schraube 3m übersteigt.
So kamen wir auch nach Dole mit Kirche sowie der Besichtigung der Stadt. Fahrt vorbei an hohen Bergen, dann Halt in Besancon mit Blick auf die Citadelle .Wenn man sich die Stadtschleife um Besancon sparen möchte, geht’s durch den 400m langen Tunnel unter der Citadelle hindurch. Vor dem Tunnel gleich mal drei Schleusen im Umkreis von 80 Metern. Etwas Gedränge und mit schwerer Entscheidung: Tunnel. Nanu was ist das, direkt am Ufer ein großer Supermarkt mit Tankstelle. Bootsjunge hatte einen ‚Euronorm‘ großen Einkaufswagen voll mit „Naschereien“ und ich 70 Liter Diesel.
Leichter geht’s nicht.
Eine kleine nette Marina als Nachtlager. Dann die besorgte Frage nach der Schiffbarkeit des kommenden Rheins. Ein ‚weitgereister‘ wohl Flachbodenboot fahrender Oberbayer: „Der Rhein ist absolut problemlos, auch neben dem Tonnenstrich!“ Na, wir werden sehen.
An die Schleusen hatten wir uns ja schon gewöhnt, aber nun kam eine richtige Treppe. Vom Berg ins Tal, schnurgerade und im Abstand von ca. 70 Meter viele einzelne Stauungen. Nein, nicht ganztags, nur zwischen xx und yy Uhr und nur mit Anmeldung. Warten auf Morgen.
Nicht jedes Ufer lädt zum Anlegen ein, also nehmen wir den rostigen Ponton aus dem 1. Weltkrieg. Nach der Treppe für Riesen weiter. Aber jetzt kamen die angeschärften Schleusenwärter. Sie kannten Ihre deutschen Transit sparenden Pappenheimer aus der Umgebung wohl schon. „Warnemünde“ hatten wir nicht auf’s Boot geklebt.

Einer begrüßte uns in unbekanntem aber absolut unverständlichem Deutsch mit Blick auf unser Transitticket. Dann: „Wir sind Papst“. So gläubig und freundlich war ich lange nicht. An der übernächsten Schleuse ein nationalbewusster Franzose. Jeder hat eine Muttersprache. Meine Freundin hat zwei. Auch Spanisch. Schon unterwegs bemerkte ich, dass sie mit rudimentärem Schulfranzösisch spanische Worte nur anders betonen muss, um verstanden zu werden. Gefühlt eine Stunde habe ich draußen frierend gestanden, um das Boot an der Schleusenwand zu halten. Sie hatte den Wärter und Wächter auf unser Pech eingestimmt. Ein wichtiges Argument: Kein Einheimischer fährt eine so dicke und lange Stange auf Deck mit sich.

Die Fahrt über Mühlhausen geht direkt durch die Stadt und ist kurzweilig. Abends bei Niffer angekommen, nirgends ein Liegeplatz. Nur ein Bootsklub. Mit Schildern in vorherrschendem Vokabular „Verboten“ und „Strafe“. Das, obwohl in Frankreich in ausschließlich deutscher Sprache. Am Morgen dann im Abstand von ca. 200 Metern gleich zwei große Schleusen in den Rhein. Ohne Hinweis, eine tal- und eine bergwärts. Das konnten nur Fach- und Ortskundige wissen.

Rhein-Oberlauf (Frankreich)

Jetzt ist alles ganz leicht. Wir werden mit der Gravitationskraft der Erde sowieso in den Norden gespült. Den Motor brauchten wir ja nur, damit es ein wenig schneller und geordneter zugeht.
Der erste Abschnitt Rhein, 186 km; neun Schleusen mit über 12-18m Hub, so groß wie Canyons; aber, welch ein Glück, mit Schwimmpollern. Vorbei an Freiburg, Offenburg, Baden-Baden bis Karlsruhe immer auf dem Strich. (Grenze) Schönes Breisgau-Wetter, aber Achtung, die Wehre nicht mit den Schleusen verwechseln.

Rhein-Oberlauf (Deutschland)

Dann entlässt sie uns, die letzte Schleuse bei Iffezheim. Nur noch etwas Frankreich, dann ins politisch grüne Deutschland. Die Fließgeschwindigkeit nimmt erheblich bis auf einen Wert von ca. 20 km/h zu. Schon erstaunlich, die vollbeladenen Lastkähne, die dort bergwärts fahren. Keine Tonnen, nur noch Baken; wenn überhaupt. Etwa bei km 344: Knall und Rumpel. Meine Freundin wurde kreidebleich und das Schiff lag quer mit erheblicher Neigung talwärts zum Strom. Ein bergwärts fahrender Kapitän rief sofort die Polizei in Karlsruhe. Sie kamen nach einer Stunde. Rumpelnd schleppten sie uns in die nächste Aue frei. Anders als die sonnenbebrillten Jungs mit den nackten Nixen auf dem Bug im Alten Strom von Warnemünde brauchten diese einen wirklich starken Motor. Nach den üblichen Kontrollen und Befragungen kam dann die Aufklärung.

Die Fließgeschwindigkeit in diesem Rheinabschnitt ist so groß, dass die Gefahr einer Canyonbildung gegeben ist. Die Grünen sich aber weigern dort Schleusenbaumaßnahmen zu zustimmen. So wurden dann Steine in den Strom geworfen, die sich dann selbständig machen. Eine Tonnenpflicht gibt es auf diesem Abschnitt auch nicht. (Wandertonne) Wir waren das dritte Boot in der Woche.
Jetzt die Frage: In eine linksrheinisch gelegene Aue, mit der Option morgen früh nasse Füße zu kriegen oder rechtsrheinisch in die nächste Werft mit Liegeplatz (8km) ? Die beiden Polizisten begleiteten uns in die Werft. Mit den Beiden hatten wir wirklich Glück im Pech. Die Einfahrt war nur mit Vollgas möglich. Am nächsten Morgen gab‘s keine nassen Füße. Ich besichtigte Rumpf und Ruder. Der Eisenkiel war ja auch noch dran. Mit Skepsis und etwas Mut, dann weiter. Hinter Karlsruhe wurde der Fluss auch etwas breiter.

Mittelrhein

Nach ein bis zwei Übernachtungen am Mittelrhein und dem Kennenlernen des politischen Miefs beim Abendessen im Restaurant machte meine Freundin eine Kurzbemerkung: „Das war gerade das Binger Loch“. Kein Wunder, für die vielen Burg- und Schlossruinen hatte ich kaum ein Auge. Jetzt wartete nur noch die Lorelei mit entsprechendem Berufsverkehr. Vorher noch eine S-Kurve mit einem Kieshaufen als Flussteilung. Also ohne blaue Markierung in die linke Hälfte. Die entgegen kommenden Frachter waren zu Recht nicht meine Freunde. Dann Lorelei, und alles wurde ruhiger.
Wirklich? Jetzt kam die Weiße Flotte mit Ihren geldschwangeren Rentnern, die jede Burg auf beiden Rheinufern erklärt haben wollten. Von hier bis Köln gab’s nur noch blaue Tafeln an Steuer- und Backbord der Schiffe. Vorbei an Adenauers Wirkungsstätten incl. altem Bundestag.

Köln, da war doch was. Unsere Namenspatronin, eine 25jährige richtige Spanierin, in Köln zuhause, kam uns mit ihrer Freundin besuchen. Das Boot strahlte wie neu. Am nächsten Vormittag überraschte mich meine Freundin mit einem Büchlein.

M.Feltgen R.Stoll
Führer für den Binnen-Fahrten-Sport
„Auf den Gewässern der Bundesrepublik Deutschland“

Sie sprach nicht nur einige Fremdsprachen, zusätzlich wohl auch den kölschen Dialekt sehr gut.
Wir hatten ja auch noch etwas Weg. Z.B. durch das Herzstück der deutschen Industrie. Ganz moderne als auch richtige Industriebrachen. Letztere abzureißen wird wohl Niemandem auferlegt.

Deutsche Kanäle (WDK-RHK-DEK-MLK-ESK-ELK)

Bei km 813,2 dann Einfahrt in den Weser-Datteln-Kanal bis Oberhausen. Seit Einfahrt in den Rhein bei Niffer sind das nicht weniger als 635 km. Herzlicher Empfang eines Motoryacht Klubs, Besichtigung von ausgiebigem Ruhrbarock in Oberhausen und Auffüllen aller Reserven.

Nächsten Morgen dann vorbei an bekanntem Gasometer und vielen übergroßen Hochspannungsleitungen. Einmünden in den Dortmund-Ems-Kanal. Wir hatten das schwerindustrielle Herz der deutschen Wirtschaft verlassen. Jetzt wechselte die Landschaft von rotbraun wieder auf grün.

Einfahrt in den Hafen von Münster. Der Bootsjunge verlangte seine Heuer. Na ja, seien wir fair, sie hatte das schon lange vorher angekündigt und mich dafür in Köln mit dem Wasserstraßenführer ausgestattet. Jetzt alleine, wer macht das Radio leiser, wer bringt den Schluck Kaffee u. Ä. Selbststeueranlage? Fehlanzeige. Einmal rechte Hand raushalten und ab in den MLK. Go East.
Bei Minden bekam das Boot Flugzeugtragflächen. Jedenfalls kam es mir so vor bei der Überfahrt der Weser. Leider nieselte es erheblich. Küstenbewohner und Binnenländer der Niedersachsen müssen wohl Differenzen haben. Sonst wäre nicht zu erklären, warum Erstere Letzteren keinen Fisch abgeben.

Nur das erklärt die vielen Angler mit grimmigem Gesicht mir gegenüber an den Ufern. Aber Vorsicht, nicht anlegen, wo sich Angler befinden. Entweder gibt es Schimpfe oder sie ziehen an der Leine als wäre die Sara ein weißer Hai. Vielleicht doch? Dann mal zu beider Spaß ein kleines Wettrennen mit einem Lastkahnkapitän, Übernachtung bei Hannover, linke Hand raus und rein in den Elbeseitenkanal. Regen bis Lübeck. Das auffälligste Schild gleich zu Beginn ist das Ankerverbot. Gilt eigentlich für jeden Kanal, aber der ist asphaltiert. Nachtquartier im Dunkeln an einer langen Spundwand. Bis mich ein polnischer Lastverband ca. 23.30 Uhr höflich bat, ihm den letzten Platz für die Nacht zu lassen. Selbstverständlich, die müssen hier arbeiten. Dann Erkundigungen nach dem Hebewerk Lüneburg. Drei Tage warten? Kaum angekommen, das Wartebecken war nicht leer, wartete der Wärter nur noch auf mich. War gerade noch Platz für ein Sportboot. Sie hatten den Mast wohl nicht beachtet, denn oh Schreck, der ragte 0,5 m über die Wanne. Ein wenig Rücken dann ging‘s 38 Meter nach unten. „Nur“ das Vorstag wurde beim Verholen angebrochen.

Auf zur Elbe, und aufwärts nach Lauenburg. War gerade kommende Flut? jedenfalls strömte die Elbe bei weitem nicht so stark wie der Rhein. Beamtengerechte Mittagspause an der Schleuse. Dann fast ohne Gegenverkehr und kreuzungsfrei zur Autobahn: ‚Schleusenhopping‘ (0,75m Hub) bis kurz vor Lübeck. Nächsten Morgen dann die Entscheidung: links in den schmalen Fluss oder geradeaus. Beide Schilder zeigen auf Lübeck. Vor mir eine Kinder- und Jugendveranstaltung. Sicherheitshalber dreimal fragen: Geradeaus… Die Lübecker Schildbürger bauen ihre Brücken 1,5 Meter über dem Wasser.
Missgestimmt zurückfahrend hab ich wohl die Veranstaltung der Falschwegweiser gestört. Ihre Flüche waren länger zu hören.

Ostsee

Es gibt viele Bootsvereine in Travemünde, aber einer ließ mich übernachten. Sie waren auch ordentlich am Feiern. Dann meine Vorbereitungen auf die Ostseefahrt speziell mit der Mastbefestigung. Seekarten ??? War da nicht mal ein Übungsbuch zum Seeschein ? Richtig! Zwei von drei Revierkarten mussten reichen. Und nicht zu vergessen, endlich durfte auch mal die Selbststeueranlage zu Diensten sein.
Seit Vienne hat der Motor, außer Anlasser und Keilriemen in Macon, auch nicht mehr gestreikt.

Hatte ihm ja auch mit einem Stück Kaugummi verboten, statt Diesel Luft zu holen.
Pünktlich um 7.00 Uhr machte ich mein Versprechen, die Club-Marina zu verlassen, wahr. Leichte Schaumkämme auf der See, Sonnenschein, ein wohliges Schaukeln bei funktionierender Selbststeueranlage genoss ich lesend die Fahrt nach Rostock-Schmarl. Dort hatte Arel einen Platz für „SARA“ reserviert. Meine Kinder brachten mir mein Auto. Tage später reparierte Arel das Vorstag und wir machten die erste Segeltour. Zum Winter bastelte Arel dann eine kluge Hängevorrichtung im LKW Hänger. Jetzt hatte die „SARA“ genug Zeit zum Schaukeln.
Abschließend kann man sagen: Es war ein nicht nur immerwährendes Abenteuer!
Mit ihrer Frage nach dem Bootspreis hatte meine Freundin im Kern ja nur den Wunsch geäußert , mal im Mittelmeer baden zu gehen. Vergeblich!
War diese Tour nicht eigentlich die logische Folge von 4x ‚Rund Mallorca‘ (incl. Menorca, Cabrera, Ibiza, Formentera) und einer Reise Portugal –Cabo Verde zu zweit mittels leckem Holzboot?

Als glücklich in der Warnow angekommener Skipper grüßt Peter alle Leser.

Anm.: Die vier angegebenen Schriften können bei mir ausgeliehen oder gebraucht erworben werden. Auf die Gasversorgung sollt man sich gut vorbereiten.
In Kiel gibt es eine Transportfirma speziell für Maste an die Mittelmeerküste.
Den Rhein kann man ab Essen nicht bergwärts befahren !! Ausgenommen: Man hat einen großen heilen Motor und viiiel Geld.