SY Maiko (GER 2500) in Klaipeda und Nida – zur „53. Kuršių marių Regata“ in Litauen

Die Kurische Nehrung mit ihrem Haff, die der Sage nach von der Göttin Neringa zum Schutz für die Fischer erschaffen wurde, wirkt auf den norddeutschen Küstenbewohner gar nicht so fremd. Ein wenig ungewohnt sind die dichten und nur aus Kiefern bestehenden Wälder, die auf den hohen und hügeligen Dünen stehen – außergewöhnlich aber sind die riesigen Dünen, die nur von Moos und Gräsern bewachsen sind. Davon ist in Klaipeda, von wo man mit einer Fußgängerfähre innerhalb von 5 Minuten nach Smiltyne, dem nördlichen Teil der Nehrung, übersetzen kann, noch nichts zu merken.

Überführung nach Klaipeda

Allerdings begrüßt den Reisenden bei der Einfahrt in den Hafen nicht nur der Geruch der Abgase der Frachter und Ostseefähren, sondern auch der Duft nach Kiefernnadeln und -harz. Der „Old Castle Harbour“ liegt sehr geschützt am Fuße des Burgwalls der früheren Memelburg und ist nur durch die per Hand zu öffnende Brücke zugänglich – sie wird jede Stunde für 15 Minuten geöffnet. Die Überführungscrew hatte besonderes Glück mit dem Wind und dem Wetter – auch für die Rückfahrt kam der Wind, wie bestellt, rechtzeitig aus Osten. Am Sonntag, 26.07., legten die beiden um 15 Uhr von Warnemünde ab und kamen ohne Zwischenstopp am Dienstag, 28.07. um 21 Uhr in Klaipeda an. Sie brachten Donnergrollen und Regen mit. Dazu sollte in den nächsten Tagen ein stürmischer Wind mit bis zu 7 Windstärken kommen. Nachdem wir anderen im Laufe der nächsten Tage ebenfalls ankamen, konnten wir die Stadt bei schauerartigen Regenfällen kennenlernen.

1250 erstmals erwähnt, ist sie die älteste Litauens, am Fluss Dane gelegen. Die Burg, die den Zugang zum Kurischen Haff bewachte, erhielt den Namen Memel, der sich dann auch auf die wachsende Stadt bezog. Ab 1328 gelangte sie und ihr Umland unter die Herrschaft des Deutschen Ordens. Nach der Reformation im 16. Jahrhundert gehörte die Region zu Preußen. Zu den größten Bevölkerungsgruppen zählten Deutsche und Litauer. Nach Ende des 2. Weltkrieges, die Stadt wurde stark zerstört, wurde Litauen in die Sowjetunion eingegliedert. Es war bereits 1940 annektiert und die deutsche Bevölkerung vertrieben worden. Neue Bewohner, vor allem aus Teilstaaten der Sowjetunion, wurden hier angesiedelt und die Stadt wieder aufgebaut. Leider sind von der Altstadt nur die Gebäude und Straßenzüge um den Theaterplatz mit dem Simon-Dach-Brunnen und der Statue des Ännchen von Tharau erhalten. Doch an vielen Ecken merkt man, dass sich die Stadt auf ihre historischen Wurzeln besinnt. Auch im Hafengebiet putzt sie sich heraus.

Regattasegeln nahe der russischen Grenze

Am Sonntag besserte sich, pünktlich zu Regattabeginn, das Wetter. Allerdings nahm der Wind ein wenig zu sehr ab, so sehr, dass zum Ende der Regatta in Nida eine Wettfahrt verkürzt und die letzte sogar abgebrochen werden musste. Trotz dem oder gerade deshalb waren die 10 Tage in Klaipeda und Nida wie Ferien: Der Spaziergang von der Ost- zur Westküste der Halbinsel oder die 10-Minuten-Fahrt mit einem Tuk Tuk und dann die Abkühlung in der Ostsee nach einem windschwachen Tag und dem Versuch bei 27 Grad auf dem Haff zu segeln. Überhaupt sind die Litauer kreativen Fortbewegungsmitteln gegenüber aufgeschlossen. Mit Elektrofahrrädern, Elektrorollern, verschiedenen Formen des E-Rollers (Scooter oder Moped) kurvten sie um die vielen Fußgänger, die in Nida Urlaub machten, herum.

Die Aussicht von der 50 Meter hohen Parnidis-Düne ist einmalig: in Richtung Süden, etwa 2 Kilometer entfernt, liegt die Grenze zur russischen Exklave Kaliningrad, links das Haff, rechts die Ostsee und überall dazwischen die Kiefernwälder.

Eine weitere wunderbare Aussicht findet sich vom Thomas-Mann-Haus aus, das auf dem „Schwiegermutterberg“ steht. Ursprünglich verdeckte von dort auf das Haff nichts die Sicht. Heute ist das Haus von der Wasserseite durch die Kiefern nur zu erahnen. Landseitig jedoch kann man den „Italienblick“, eingerahmt von hohen Kiefern an einem hochsommerlichen Tag, nachempfinden. Der Nobelpreisträger Thomas Mann hatte hier für sich und seine Familie ein Ferienhaus errichten lassen. Nida war 1930 schon touristisch erschlossen, nur noch nicht so überlaufen wie andere Ostseebäder. Ihm folgten Bewunderer und Fans – in den Dorfläden lagen die „Buddenbrooks“ zum Verkauf. Sie konnten die Idylle allerdings nur drei Sommer genießen. 1933 musste die Familie Mann ins Exil gehen. Das Haus ist seit 1996 ein Museum und Kulturzentrum.

Fahrradtour in Richtung Norden

Es blieb uns sogar Zeit für eine Fahrradtour in Richtung Norden, ins 10 Kilometer entfernte Preila, von dort quer über die Nehrung und zur Ostsee. Der Ostseestrand zieht sich die gesamte Länge der Halbinsel hin, über 50 Kilometer, und ist in verschiedene Badebereiche eingeteilt, an die sich die Litauer und Gäste recht gut halten: Männer und Frauen bekleidet, Männer und Frauen unbekleidet, Männer und Frauen getrennt, Familien, Raucher und Nichtraucher, mit Hund und ohne. Den Rückweg nach Nida fanden wir auf unbefestigten Waldwegen mit einem Abstecher zum Flugplatz. Den ließen wir dann doch links liegen, da eine Fahrradkette riss und vier Fünftel der Radler aus Erschöpfungsgründen streikten. Leider begegneten uns keine Elche, die es noch in den Wäldern der Nehrung gibt – möglicherweise lagen sie nur wenige Meter entfernt im hohen Gras und hielten Siesta.

Und dann gab es ja auch noch das Segeln. Fast wäre es gar nicht dazu gekommen. Vom ersten Vorschlag beim Rostocker Seglerball im November 2019 und einem ernsthafteren Gespräch bei Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt im Dezember sollte Corona uns dazwischen funken. Wochenlang hinderten uns die deutschen Beschränkungen mit den neuen Segeln zu trainieren. Zeitweise kam auch die Befürchtung auf, dass sich keine Boote melden würden. Es hieß, dass nur fünf Personen segeln durften (statt unserer sieben). DAS Kriterium zur Absage wäre jedoch gewesen, wenn wir 14 Tage nach der Einreise in Quarantäne hätten gehen müssen, wie es auch einige Wochen lang zuvor hieß. Anfang Juni stand es kurz vor der Absage. Doch wir wagten das Risiko und fanden keinerlei Beschränkungen vor, weder war das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes Pflicht noch gab es eine Einschränkung bei der Anzahl der Crewmitglieder. Es hieß jedoch, dass das Landprogramm eher klein und weniger öffentlich war.

Nervöse Wasserschutzpolizei und Checkin

Am Samstag ging das Einchecken in Smiltyne mit Wiegen der Crew, Kontrolle der Rettungsmittel – an den Rettungsring muss eine 20 Meter lange Leine angebracht sein – und Besichtigung der Segel bei heißem Sommerwetter schnell voran. Als der Wind es zuließ, zu trainieren, stellte uns jedoch die Wasserschutzpolizei sprichwörtlich ein Bein. Die Polizisten dachten wohl, wir wollten das Land verlassen ohne uns abzumelden. Freundlich, aber bestimmt wurden wir kurz vor den Molenköpfen ins Hafengebiet zurückbeordert.

Die offizielle Eröffnung am Abend war sehr atmosphärisch mit dem Hissen der Regattaflagge neben den Fahnen von Litauen, Deutschland und Estland begleitet von gewaltiger Musik. Ein Boot, die Katarina Jee (First 34.7), war aus Estland gekommen und die Maiko vertrat Deutschland. Katarina Jee war auch in der Wertung für uns die größte Konkurrenz. Die erste Wettfahrt am Sonntag über 26 NM vor der Küste in Richtung Norden nach Palanga mussten wir uns mit 18 Sekunden berechneter Zeit Katarina Jee mit Marten Tamm und seiner Crew geschlagen geben.

Schon am Montag warteten wir auf den Wind. Nach einer kurzen Nacht, die durch das Klingeln des Handys um 5.45 Uhr beendet war, ergab die Steuermannsbesprechung um 9.00 Uhr eine Startverschiebung. Niemand glaubte mehr an einen Start, bis um 14.00 Uhr das Signal zum Klarmachen kam. 14.31 Uhr wurde das zweite Mittelstreckenrennen über 22 NM gestartet. Dieses Mal führte der Kurs auf der Ostsee nach Süden. Schnell konnten wir in Führung gehen und behielten sie auch. Nach 4 h 10 min waren wir im Ziel. Zweite wurde die litauische Dia/Tauras Rymonis (Neo 350) mit 9 Minuten berechneter Zeit hinter uns.

Überführung nach Nida

Dienstag überführten die Crews die Boote ins 50 Kilometer südlich am Haff gelegene Nida. Der letzte Zweifel, dass die Maiko mit einem Tiefgang von 2,20 m nicht durch die flachen Stellen im Haff kommen und Nida erreichen würde, wurden erst kurz zuvor in Smiltyne von einem einheimischen Skipper zerstreut. Große Wasserstandsveränderungen gäbe es nicht und selbst wenn wir auf Grund liefen, dann wäre er nur schlammig. Und tatsächlich, die flachste Stelle war 2,40 m tief und alles ging gut. Die Maiko-Crew teilte sich, vier überführten bei einer herrlichen Aussicht auf die großen Wanderdünen der Halbinsel. Die anderen drei fuhren im bequemen Reisebus und erhielten erste Eindrücke von der Inselseite aus. Dabei soll auch ein Elch am Straßenrand gesichtet worden sein. An diesem Tag blieb Zeit, Nida zu erkunden und sich mit dem Ort, der sehr touristisch ist, anzufreunden. Abends fanden die Siegerehrungen der ersten beiden Wettfahrten statt.

Endlich Up&Downs

Die beiden Up&Downs, die am Mittwoch gesegelt wurden, waren von einigen Crew-Mitgliedern heiß ersehnt worden, sollten sie doch die einzigen bleiben. Gerade der Vorschiffsmann freute sich auf das „einfache“ Segeln, musste er doch nicht Schoten und Achterholer von Spinnaker auf Gennaker (oder umgekehrt) auf wechselnden Seiten an- bzw. umbauen, wie es bei den Mittelstrecken vorkam. Wieder war die Katarina Jee unsere größte Konkurrenz: Im ersten Rennen konnten wir sie noch schlagen. Im zweiten mussten wir ihr den ersten Platz überlassen.

Das Rennen am Donnerstag startete bereits bei wenig Wind (6-8 Knoten) und wurde verkürzt, da der Wind weiter abnahm. Für die 18 NM benötigten wir 3 h 25 min. Die Boote aus den anderen Gruppen waren teilweise erst nach 5 Stunden im Ziel. Es sollte die letzte gewertete Wettfahrt bei dieser Regatta sein. Für Freitag stand eine „Spaßregatta“ der Sponsoren und Journalisten auf dem Programm. Sie wurde mit der Bootsklasse der Platu 25 ausgetragen. Deshalb hatten wir frei
Bereits beim Frühstück am Samstag waren wir, was den Wind betraf, sehr pessimistisch – unsere Unterkunft bot einen großartigen Blick, nicht nur in ein tiefes Baustellenloch, sondern auch auf das Haff und den Hafen: Von Wind war nichts zu sehen und es sollten 27 Grad werden. Trotzdem startete die Regattaleitung die Wettfahrt und entschied nach 3 Stunden, dass das Rennen abgebrochen werden sollte. Den Gesamtsieg konnten wir nicht mehr erreichen, wir wurden hinter den beiden litauischen X-35, dem Vorjahressieger Raimondas Šiugždinis/Cool Water und Adomas Janulionis/Keturi vėjai dritte. In der ORC 1-Gruppe gewannen wir mit fünf Punkten Vorsprung auf die Katarina Jee.

Wir kommen bestimmt wieder

Auch die letzte Siegerehrung dieser „53. Kuršių marių Regata“ war, wie alle Ehrungen an den Abenden zuvor, stimmungsvoll und professionell mit den Fotos, Videos und Interviews des Segeltages und der gesamten Woche gestaltet. Nach dem traditionellen Bad der Sieger im Hafenbecken, klang der Abend und die unvergessliche Woche bei Bier und später Cuba Libre aus. Mit mehreren freundlichen Einladungen, nächstes Jahr wiederzukommen und andere deutsche Boote mitzubringen, nahmen wir von Nida Abschied. Es soll Crew-Mitglieder gegeben haben, die meinten, es wäre die schönste Regatta gewesen, die sie je erlebt haben.

Segelprogramm der 53. Kuršių marių Regata

Samstag, 01.08.Einchecken im Hafen Smiltyne, auf der Kurischen Nehrung
Sonntag, 02.08.1. Wf. Klaipeda-Stadt-Rennen auf der Ostsee nach
Norden, Mittelstrecke, 26 NM
Montag, 03.08.2. Wf. Gamtos Ateitis-Rennen auf der Ostsee nach Süden, Mittelstrecke, 22,1 NM
Dienstag, 04.08.Überführung nach Nida
Mittwoch, 05.08.3. und 4. Wf. Volfas Engelman-Rennen, Up&Downs vor Nida, 9 NM und 7,95 NM
Donnerstag, 06.08.5. Wf. Uniqua-Rennen, Mittelstrecke vor Nida, verkürzt auf 18,2 NM
Freitag, 07.08.Sponsoren- und Journalistenregatta auf den Platu’s
Samstag, 08.08.6. Wf. Vietos-Rennen, abgebrochen

Die Klassen

RS 280 8 Teilnehmer
X-355 Teilnehmer
Platu 2510 Teilnehmer
ORC-19 Teilnehmer mit einem GPH von 587 sek/NM bis 649 sek/NM
(Maiko mit 588,9)
ORC-410 Teilnehmer mit einem GPH von 715 sek/NM bis 779 sek/NM
ORC-211 Teilnehmer mit einem GPH von 650 sek/NM bis 703 sek/NM

insgesamt 53 Boote

Maiko-Crew

John Victorin

Robert Pastoors

Lennart Hieke

Jan Schulze

Steffi Katschke

Jeremiah Tucker

Tore Laß

Ergebnisse

https://regatos.lt/kmr


Facebookseite: https://www.facebook.com/kmregata/

Videos: 2020 KMR Sailing Regatta

Geschichte der KMR

Die „Kuršių marių Regata“ fand erstmals 1954 unter dem Namen „Aplink Kuršių marias“ (Rund um das Kurische Haff) statt. Sie wurde vom Litauischen Segelverband und der Zeitung „Komjaunimo tiesa“ organisiert. Bis dahin konnte das Haff nur mit Ausnahmegenehmigungen passiert werden, für Freizeitsportler war es ganz verboten, da es als Grenzgebiet galt.

Zwischen 1954 und 1966 sowie zwischen 1977 und 1990 wurde die Regatta fast jedes Jahr ausgetragen. Zu Beginn fanden die Regatten unter reger Beteilung auch mit Seglern aus den Nachbarländern statt. 1965/66 nahm die Teilnehmerzahl jedoch so weit ab, dass sie ausgesetzt und erst zehn Jahre später neu belebt wurde: Aufgeteilt in mehrere Etappen wurde die Gesamtstrecke auf 220 NM verlängert und um eine Nachtfahrt erweitert.

Mit der Unabhängigkeit Litauens 1990 schrumpfte das Segelrevier auf ein Drittel des ursprünglichen Gebietes, da nun im Süden die Grenze nach Russland bestand. In den folgenden Jahren konnten die Veranstalter von russischer Seite nur mit großem Aufwand und sehr kurzfristig Ausnahmegenehmigungen erhalten. Trotzdem wuchs die Teilnehmerzahl. Immer mehr Yachten, Segler und Sponsoren nahmen an der Regatta teil.

Seit 2004 gilt die KMR unter den litauischen Seglern als eine der wichtigsten Regatten des Jahres. Die Segler haben zu dieser Gelegenheit die Möglichkeit ihre Erfahrungen auszutauschen. Es finden nicht nur die Segelwettkämpfe statt, sondern auch Veranstaltungen an Land, die von den Einwohnern und Gästen Nidas besonders gern besucht werden. Heute ist die KMR die größte und bedeutendste Regatta für Dickschiffe in Litauen.

Fotos: Sailing Pictures Lithuania, KMR, Maiko